Tannen.Nadel.Bilder im Parkraum

Wir alle gewinnen ästhetische Prägungen anhand von ganz bestimmten ästhetischen Phänomenen und schärfen unser Urteil in erster Linie im Alltag. Ästhetische Erfahrungenergeben sich aber nicht nur im rezeptiven Umgang mit vorhandenen Objekten und Begegnungen in unserem Alltag, sondern auch im produktiven Prozess der Ästhetik. «Mir geht es darum ästhetische Erfahrung bewusst zu machen, nicht aber den ‘Wesenskern’ ästhetischer Erfahrung zu erfassen, das ist jedem selbst überlassen», meint Gert Gschwendtner. Ästhetik ist in der Sinnlichkeit der Wahrnehmung verankert, das heisst sie bezieht sich stets auf die (eigenen) Sinne. Letztlich sind es unsere Sinne, die unsere Bedeutungswirklichkeit definieren und zwischen äusserer und innerer Welt vermitteln.
 
Auch die hier ausgestellten ‘Tannen.Nadel.Bilder’ tun das. Sie weisen uns als Betrachter:innen auf die (eigenen) Sinne hin. Die Tannennadeln sind zwar naturalistisch gemalt, wirken aber oft auch abstrakt. Je nach Blickwinkel oder Entfernung. Die Begegnung von Betrachter:in und Bild ist unentrinnbar und aneinandergefesselt, es ist ein ständiges Wechselspiel von Mikro und Makroansichten. «Als künstlerisches Objekt, als bildnerisches Element ist die Tannennadel von unglaublicher Faszination für mich», sagt Gert Gschwendtner. «Sie funktionieren eigentlich als geistige Akkupunkturnadeln im Gehrin, sie regen zum Nachdenken an und weisen darauf hin, was ich tue, was ich meiner Umwelt zufüge", meint der Künstler. Tatsächlich kann man die Tannennadeln als Indikator für menschliches Verhalten verstehen. Sie regen ein vielfältiges Wechselspiel zwischen Reflexion, Sinnlichkeit, Emotionalität, Bewusstsein und Unbewusstsein, aber auch zwischen Materialität und Zeichencharaker an. Wenn wir uns also auf dieses Wechselspiel von ästhetischen Erfahrungen einlassen, wird uns bewusst, dass die Wirklichkeiten, in denen wir leben nur «Bilder im Rahmen sind», die immer wieder und jederzeit mit anderen, neuen Bildern und Rahmen ersetzt werden können. Sind also diese zart, acquarellierten ‘Tannen.Nadel.Bilder’ nichts anderes, als ein Hinweis auf unsere Selbstbezüglichkeit? «Ja genau! Hierbei geht es aber auch um die Zeit, die damit verbunden ist. Denn ohne Zeit, keine Sinneswahrnehmung». Das leuchtet ein, weil jede Erfahrung, insbesondere die ästhetische Erfahrung ereignet sich im Moment des Verweilens. Und dieser Modus des Verweilens setzt wiederum den Bezug auf sich selbst voraus.
 
Dieses Selbst ist jedoch schon wieder eine tückische Wirklichkeit. Es erfindet sich ständig neu, ohne dass wir es bemerken. Dies geschieht indem immer wieder variierte Denkmuster entwickelt werden. Immer wieder neue Verschaltungen für neue Aufgaben, oder weniger Verschaltungen, weil die Aufgaben fehlen. So wächst ein Selbst an zu imposanter Grösse, oder wird doch als Hirngespinst entlarvt. Organisierte Tannennadeln zeigen Parallelen zu Gefühlen und Gedanken.
 
Die Ausstellung Tannen.Nadel.Bilder eröffnete am 13. November & 14. November 2021.
 
 
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Ausstellungsansicht Tannen.Nadel.Bilder
Fotos: Mali Gubser, 2021